Schmerzen erkennen 
 

Spezifisches Ausdrucksverhalten von Kleinsäugern und Hühnern

 

 

In den letzten Jahren passierte viel in der Forschung zum Ausdrucksverhalten von Tieren. Mittlerweile kann die Mimik von Labortieren ausgelesen und die Lautsprache von Mastschweinen "übersetzt" werden. Längst überholt ist die Annahme, Tiere könnten keine Schmerzen empfinden und würden sie schon gar nicht nach außen zeigen. Der Mensch muss nur lernen, achtsamer gegenüber seinem Tier zu sein, dann wird er es auch "lesen" können. 

In den folgenden Abschnitten möchte ich anhand solcher Erkenntnisse sowie an eigenen Beispielen das Ausdrucksverhalten bei Schmerzen und Unwohlsein für Tierhalter nachvollziehbarer machen.

 

In den folgenden Abbildungen sind Tiere mit akuten und chronischen Schmerzen zu sehen. Ein Bild schult den eigenen Blick besser, als es jede Beschreibung könnte.

 

 

Inhalt

 

Hühner

 

Kaninchen

 

 

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Hühner

Hühner besitzen, wie Säugetiere auch, eine umfangreiche Anzahl an "Schmerz"rezeptoren - besonders unter den Flügeln und an den Beinen sind sie vermutlich äußerst empfindlich, da sie an diesen Körperstellen eine besonders hohe Anzahl der sog. Nozizeptoren besitzen.[1] Sie zeigen Unwohlsein kaum in der Mimik, daher muss auf die gesamte Körperhaltung geachtet werden. Einige schmerztypische Körperhaltungen können auch kurzzeitig im Ruhezustand (Einschlafphase), beim Sandbaden oder Brüten beobachtet werden – hier kommt es auf die Beurteilung des Tierbesitzers an, wann ein Symptom für das jeweilige Huhn „untypisch“ ist, also ohne plausiblen Zusammenhang auffallend oft oder auffallend lange gezeigt wird. Das erste Warnsignal ist oft, dass das Huhn müder wirkt, als sonst.


Folgende Symptome gelten als Unwohlsein, Stress- oder Schmerzanzeiger: 

  • Schwanzposition: waagerecht oder nach unten gerichtet
  • Kopfposition: eingezogen, bei Schnabelatmung ist der Hals manchmal gestreckt
  • Lidschluss: halb bis vollständig geschlossene Augen, verlangsamtes Öffnen der Augen
  • Schnabelöffnung: Hecheln (normal bei Wärme oder plötzlichem Temperaturanstieg)
  • Flügelhaltung: tief getragener oder hängender Flügel (zuchtbedingt sind tiefe Flügel manchmal üblich, z.B. beim Bantam)
  • Beinhaltung: evtl. gebeugt, Füße nicht parallel gestellt, wiederholte Entlastung eines Beines
  • Gangbild: humpelnd, stolpernd, taumelnd (siehe Gleichgewichtsstörungen)
  • Gefieder: aufgeplustertes Gefieder, beginnend an Hals und Rumpf
  • Kamm: violett (Fieber, Kreislaufstörungen, Herz-/Nierenprobleme), verblasst (längere Erkrankung mit Kreislaufschwäche, Parasitenbefall, Tuberkulose, Leukose), verkleinert und leicht verblasst (Legepause, Mauser), dunkle Kammspitzen (Hitzestress oder Erfrierungen)
  • Kropf : Kropfleerungsstörungen, insb. "Harter Kropf" und Erbrechen können auch Begleitsymptome einer Erkrankung außerhalb des Verdauungstraktes sein


Typische Körperhaltung bei Unwohlsein und Schmerz, das Huhn wirkt „rund“ :

Weitere Symptome sind das Absondern von der Gruppe oder Behacken des kranken Huhnes.
Gestresste Hühner klagen manchmal auch langanhaltend und lautstark.


Gleichgewichtsstörungen: Durch raumfordernde Prozesse oder Entzündungen im Bereich des Lumbosakralorgans (Auslöser sind insbesondere der linke Eierstock oder die Nieren) kann es zu Gleichgewichtsstörungen und Gangstörungen kommen, welche sich vom gelegentlichen Stolpern bis zum Festliegen ausdehnen können. Diese Störungen beziehen sich auf das Stehen und Gehen, während die Flügel und der Kopf vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr (Vestibularapparat) gesteuert werden und daher symptomfrei bleiben können.[2][3]

Solche Veränderungen sind in der Regel nicht tastbar und es benötigt bildgebende Verfahren, um sie zu diagnostizieren!


Hirnschäden: Hühner bepicken sich insbesondere auf den Hinterkopf. Aufgrund der stark gewölbten ("Protuberanz") und in der Folge teilweise löchrigen oder dünneren Schädelplatte haben Haubenhühner und Seidenhühner ein höheres Verletzungsrisiko. Neurologische Schäden können sich vielfältig auswirken, manche sind nach Behandlung und mit ausreichend Genesungszeit jedoch reversibel.

 

Vorn: Kranke Henne mit eingezogenem Kopf, eng angelegten Flügeln, geschlossenen Augen 

Hinten: Gesunde Henne beim Sandbaden

Hechelnde Henne mit schwachem Kreislauf (Kamm fällt um und wird blass)

Eingezogener Kopf, aufgeplustertes Gefieder, halb geschlossene Augen, keine Fixierung und nur müde Reaktion auf den Fotografen

Eingezogener Kopf, fast waagerechte Schwanzhaltung, Flügel tief und eng angelegt

"Pinguin-Haltung": der Rumpf wird tief gehalten, der Oberkörper aufgerichtet. Manche Hühner pressen das Hinterteil bis auf den Boden. Typische Haltung bei Legenot.

Tierärzte, welche Hühner behandeln, sind rar. Selbst bei Geflügelärzten geht die Diagnostik oftmals nicht über die Palpation oder einen Kropfabstrich hinaus. Deshalb möchte ich liebevollen Hühnerhaltern dringend die Liste hühnerkundiger Tierärzte vom Rette Das Huhn e.V. ans Herz legen - sie kann euch eine endlos lange (und damit auch unnötig teure und nervenzehrende) Diagnostik ersparen.

Kaninchen

Kaninchen unterscheiden sich je nach Rasse und natürlich nach Charakter in der Äußerung negativer Emotionen. Wildmixe und eher scheue Tiere zeigen als typische Beutetiere erst spät gesundheitliche Probleme, während zahme Hauskaninchen in einer harmonischen Gruppe weniger zurückhaltend mit Emotionen umgehen müssen. Bei Langhaar-Kaninchen ist die Mimik durch das Fell verdeckt, Widder-Kaninchen dagegen können kaum anhand der Ohrenstellung kommunizieren.

 

An Laborkaninchen wurden bereits Studien zur Mimik ("Grimace scale") bei Schmerzen mit unterschiedlichen Schweregraden durchgeführt. Eine der bildlichen Darstellungen findet man hier : Externer Link zu "Rabbit Grimace Scale" des National Centre for Replacement, Refinement & Reduction of Animals in Research

 

Eine umfangreiche Beschreibung von Schmerzsymptomen kann hier nachgelesen werden: Externer Link zu Kaninchenwiese.de

Reizung der Gesichtsnerven durch rechtsseitige Mittelohrentzündung, bei Ausfall der Gesichtsnerven würde der Mundwinkel optisch hängen. Frühes Anzeichen war ein vermehrtes Kopfschütteln, was falsch als "Verhaltenstick" diagnostiziert wurde.

Ausgestreckte Liegepostion mit Unruhe, schneller Atmung, Apathie, Zittern oder Zurückgezogenheit deuten auf Schmerzen im Magen-Darm-Trakt hin. Manchmal wird auch zwischendurch "getrommelt". Hier: Aufgasung

Schläft ein Kaninchen überwiegend mit aufgekrümmten Rücken, ist das oft ein Anzeichen für Rückenschmerzen. Je nach Erkrankung verändert sich die Haltung auch unter Schmerzmitteln nicht mehr.

Zeitweise ausgestreckte Vorder- oder Hinterbeine deuten auf Probleme im Bewegungsapparat hin. Hier: Kaninchen mit operiertem Oberschenkeltumor und unausgereiftem Bewegungsapparat

Gestreckte, angespannte Haltung mit hochgerissenem Kopf und teilweise mit Maulatmung zeigen hochgradige Atemnot an. Hier: Neoplasien der Lunge

Eine nach hinten oder oben zeigende Pupille deutet auf Schmerzen hin, wenn dies nicht nur kurzzeitig nach dem Aufwecken gezeigt wird. Stehohrkaninchen legen die Ohren nach hinten an, Widder stellen die Ohren gering nach seitlich-hinten ab. Hier: Mittelohrentzündung links

Die Suche nach kundigen Tierärzten gestaltet sich auch bei Kaninchen nicht einfach. Jedoch nimmt die Bereitschaft zur tiefergehenden Diagnostik und Behandlung in den letzten Jahren erfreulicherweise rasant zu und es gibt immer mehr Ärzte, welche sich auch ohne eine offizielle Spezialisierung sehr gut im Kaninchenbereich auskennen.

Eine Auflistung spezialisierter Ärzte ist unter Kaninchenwiese.de veröffentlicht, diese Liste umfasst allerdings nur einen kleinen Teil kanichenkundiger Ärzte, sodass sich durchaus auch die Suche im näheren Umkreis lohnen kann.

Angelegte Ohren, geschlossene Augen und ein runder Rücken sind typische Schmerzsymptome, diese Haltung kann allerdings auch in Ruhe gezeigt werden. Gesunde Kaninchen, die nur ruhen, reagieren unverzögert auf Annährung des Menschen. Auch sollte beobachtet werden, ob das Kaninchen vielleicht nur flüchtet, um sich direkt in der nächsten Ecke wieder zusammenzukauern.

Quellen und weiterführende Literatur

[1]]Jonas, S. ; Woernle, H. (2020): Geflügel gesund erhalten (5.Aufl.), Stuttgart: Eugen Ulmer KG
[2]Abourachid, A. et al. (2011): Direct neurophysiological evidence for a non-vestibular gravitational
sense in birds, Proceeding of the National Academy of Sciences
[3]Stanchak, K.E., Maga, A.H., Olson, E.R. (2020): The balance hypothesis for the avian lumbosacral
organ as an exploration of its morphological variation, Integrative Organismal Biology

 

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